Extrem statt Perfektion – im Kampf um Aufmerksamkeit stürzt sich die Modewelt auf die ungewöhnlichsten Models. Molly Bair ist die Newcomerin des Jahres, doch dem klassischen Schönheitsideal entspricht sie sicher nicht ...

Grimmiger Blick, große Segelohren, eingefallenes Kinn – Molly Bair hat mehr Ähnlichkeit mit Gollum aus „Der Herr der Ringe“ als mit einem Topmodel. Doch genau so eines ist sie, das 17-jährige Mädchen aus der US-Stadt Philadelphia. In der Schule noch als Gottesanbeterin verspottet, wird sie 2015 von der Modewelt als Newcomerin gefeiert. Für alle wichtigen Labels läuft sie: von Prada bis Chanel. Dabei reiht sie sich ein in eine Riege von Mädchen, die alles andere als klassische Schönheiten sind.

thank you @prada and @ashleybrokaw for letting me walk in this incredible collection <3

Ein von Molly Bair (@molllsbair) gepostetes Foto am


Winnie Harlow zum Beispiel ist bekannt als „das Fleckenmodel“. Sie leidet unter der seltenen Hautkrankheit Vitiligo, einer Pigmentstörung in Form von weißen Flecken am ganzen Körper. Bei Harlow ist sie besonders auffällig, da ihre restliche Haut dunkel ist. Hinzu kommt, dass sich die Krankheit bei ihr nahezu symmetrisch gebildet hat. Offenbar perfekte Voraussetzung für eine Model-Karriere: sechster Platz bei der Castingshow „America’s Next Topmodel“, Werbekampagne für Diesel und neues Gesicht von Desigual mit Auftritt auf der New York Fashion Week. Hautkrankheit sei Dank.

Queen of the jungle @Desigual Ein von ♔Chantelle Winnie♔ (@winnieharlow) gepostetes Foto am


Auch Models mit Albinismus sind plötzlich gefragt. Und Transgender-Models. Oder Models mit Behinderung oder Gen-Defekten. Und während gerade das fetteste Model ever unter Vertrag genommen wurde, will Frankreich Magermodels verbieten. Mit einem Gesetz soll das Mindestgewicht per Body-Mass-Index vorgeschrieben werden. Bei Vergehen drohen bis zu sechs Monate Gefängnis und 75 000 Euro Geldstrafe. Die Nationalversammlung hat das bereits abgesegnet.

In Paris, der Stadt der Mode, kämpft man also mit einem Mal gegen das älteste Ideal der Branche. Wobei  zu dünne Frauen doch ohnehin keine Provokation mehr sind. Jede Abweichung von der Norm nutzt die Modewelt im Kampf um Aufmerksamkeit. Ein rares Gut in einer Zeit, in der jeden Tag Millionen Bilder auf Instagram und Pinterest gepostet werden. Da müssen schon Models her, die das Extreme verkörpern und herausstechen aus der Masse. Große Marken jagen sie wie Zirkuspferde durch die Marketing-Manege.

„Labels und Models brauchen eine gewisse Street Credibility“, bestätigt Rebekka Reinhard, Philosophin und Autorin des Buches „Schön!“. Es gehe um einen neuen Anti-Supermodel-Trend, der aber nur scheinbar politisch korrekt ist. „Am Ende sind auch bei den ‚außergewöhnlichen‘ diejenigen Models erfolgreich, bei denen das klassische Schönheitsideal durchscheint.“ Und das ist immer noch: jung, groß und sehr dünn.